Zoom-Seminar ohne Frust
Blick in schwarze Kacheln? Das Unterrichten per Videokonferenz ist für viele Seminarleiter:innen eine Herausforderung. In diesem Beitrag erhalten Sie praktische Tipps für die häufigsten Herausforderungen.

So gehst du ohne Frust aus der Videokonferenz!
Blick in schwarze Kacheln? Fehlende Rückmeldung? Sind meine Teilnehmenden überhaupt (noch) da? Das Unterrichten per Videokonferenz ist für viele Seminarleiter:innen eine Herausforderung. Sind zudem die Webcams der Teilnehmenden ausgeschaltet, fehlt ihnen komplett die Orientierung, ob/wie ihr Lernangebot beim Gegenüber ankommt. In diesem Beitrag erhältst du praktische Tipps dafür.
Meine Teilnehmenden schalten die Webcam aus.
Problem/Hintergrund
Die Gründe für abgeschaltete Webcams sind vielfältig: Lernende sind nicht darauf vorbereitet, wollen ihre Privatsphäre nicht zeigen, fühlen sich unwohl, wenn sie selbst oder andere permanent das eigene Videobild sehen, oder es gibt technische Probleme. Neben diesen individuellen Gründen hat die Webcam-Nutzung auch mit dem Veranstaltungsformat zu tun. In interaktiven Kleingruppenseminaren erkennen Lernende eher einen Nutzen im Einschalten der Webcam – anders in Großveranstaltungen mit Frontalunterricht. Je größer die Gruppe, desto „dunkler“ wird es. Dabei ist die Gruppendynamik ein wesentlicher Faktor. Ein Student begründete seine abgeschaltete Webcam mit „Gruppenzwang – wenn alle es machen würden, wäre es besser. Eigentlich finde ich Kurse mit Kamera besser und produktiver.“ Diese Aussagen zeigen, dass Teilnehmende mit hoher Bereitschaft zur Webcam-Nutzung durch Teilnehmende mit niedriger Bereitschaft gehemmt werden können.
Lösung
Es gibt nicht die eine Lösung, aber ein paar Ansätze: Webcam-Nutzung als Teilnahmevoraussetzung definieren (sofern rechtlich möglich), Webcam-Gebrauch vorher ankündigen, den Nutzen erläutern, die Teilnehmenden in Kleingruppen das Handling von Webcam und virtuellen Hintergründen üben lassen, die Webcam für didaktische Methoden einsetzen (z.B. Vorstellungsrunde mit persönlichen Gegenständen) oder die Kursgröße reduzieren. Wenn man wiederholt um das Einschalten der Webcam bitten muss, ist der Zug meist schon abgefahren und man geht den Kursteilnehmenden eher auf die Nerven. Wenn keine der genannten Möglichkeiten hilft? Akzeptieren wie es ist! Und bedenken, dass es viel wichtigere Faktoren als Videobildübertragung gibt, nämlich die Tonspur, die Visualisierung der Inhalte und Interaktionen!
Die Teilnehmenden erscheinen mir nicht aufmerksam – sind sie überhaupt noch da?
Problem/Hintergrund
Sicherlich sind Teilnehmende auch in der Präsenz nicht immer zu 100 % aufmerksam, auch wenn sie physisch anwesend sind. Doch im Live-Online-Format ist es tatsächlich noch schwieriger, die Aufmerksamkeit zu halten. Das ganze Geschehen spielt sich in einem mehr oder weniger kleinen Monitor ab. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bildschirms gibt es Ablenkungsgefahren. Abgeschaltete Webcams erschweren den Teilnehmenden zusätzlich aufmerksam zu bleiben. Und den Vortragenden fehlt die Gewissheit, nicht ins Leere zu lehren.
Lösung
Den Teilnehmenden regelmäßig neue visuelle Reize zu bieten, in dem man Folien animiert und/oder die darauf abgebildeten Sachverhalte mit Pfeilzeiger oder Annotationen hervorhebt, fördert die Aufmerksamkeit und unterstützt zugleich den Vortrag. Ein unverzichtbares Mittel ist Aktivierung. Nutzen Sie die umfangreichen Möglichkeiten der Videokonferenzsysteme, um mit den Teilnehmenden in Interaktion zu treten. Einfache Ja-/Nein-Abfragen zum Inhalt oder zum Lerngeschehen können über die Reaktions-Icons umgesetzt werden und sind sehr niederschwellig einsetzbar. Mit Multiple-Choice-Umfragen können die Teilnehmenden ihr Wissen testen sowie persönliche Erfahrungen sichtbar machen. Via Bildschirmteilen oder Dateiversand können sie praktische Aufgabenstellungen übermitteln, die die Lerner in Einzel-/ Partner- oder Gruppenarbeit absolvieren. Dabei ist Aktivierung kein bloßes Entertainment! Bei entsprechender Ausgestaltung unterstützt es die Teilnehmenden dabei, sich aktiv mit den Inhalten auseinanderzusetzen und diese besser zu verstehen. Gleichzeitig erhalten die Seminarleiter:innen Rückmeldung was verstanden wurde und was „gut ankommt“.

Ich stelle doch bereits regelmäßig Fragen – aber es antwortet niemand!
Problem/Hintergrund
Das ist die Tücke der technikvermittelten Kommunikation. Während wir in der Präsenz den natürlichen Blickkontakt nutzen können, um den Teilnehmenden „das Wort zu erteilen“, ist dies im virtuellen Klassenraum nicht möglich. Auch nicht mit eingeschalteten Webcams, weshalb das Kommunizieren über Blickkontakt entfällt. Wird dann keine Alternative angeboten, entsteht Unklarheit im Publikum. Die Unklarheit darüber, ob und auf welchem Weg eine Antwort erwartet wird, führt oft dazu, dass eben gar keine Reaktion erfolgt.
Lösung
Im virtuellen Seminarraum ist es wichtig, mit jeder Frage, die man ins Auditorium gibt, eine klare Anleitung zu verbinden, wie die Reaktion erfolgen soll. Sollen sich die Teilnehmenden melden? Sollen sie einfach die Stummschaltung aufheben und losreden? Oder sollen sie im Chat posten? Die Aufgabe von Lehrenden ist es, Frage und Antwortkanal klar zu kommunizieren – und den Teilnehmenden auch die nötige Zeit zu geben, damit diese zunächst über die Frage nachdenken können und – wenn sie antworten möchten – den dafür erforderlichen Button zu betätigen. Zudem hilft es oft Teilnehmende persönlich anzusprechen und/oder sie zunächst mit der Fragestellung für 2-3 Minuten in Gruppenräume (sogenannte „Murmelgruppen“) zu schicken, um anschließend im Plenum die Antworten einzusammeln.
Fazit
Nach rund 5.000 Zeichen „Probleme wälzen“ möchte ich zum Schluss noch einen Schwenk zu positiven Aspekten machen. Wann ist das Live-Online-Format nicht nur zweite Wahl, weil man sich leider nicht persönlich sehen kann? Wann ist es erstklassig? Drei genuine Vorteile:
- Durch die räumliche Flexibilität kann auch die didaktische Qualität erhöht werden, indem z.B. international verteilte Gastredner gewonnen oder Projekte mit externen Partnern realisieren werden können. Auch kann man neue Lerner-Zielgruppen adressieren.
- Durch den digitalen Raum gibt es keine Medienbrüche mehr und es kann schnell zwischen verschiedenen Modi gewechselt werden. Beispiel: Während man im Präsenzraum viel Zeit darauf verwendet, um Flipcharts abzufotografieren und Teilnehmende nach Gruppenarbeiten wieder „einzusammeln“, geht das Wechseln von Räumen sowie das Dokumentenmanagement im virtuellen Klassenraum viel schneller.
- Durch die interaktive Zusammenarbeit per Videokonferenz können Lehrende ihren Teilnehmenden Kompetenzen im Umgang mit digitalen Tools und Verhaltensregeln für virtuelle Kommunikation vermitteln. Diese digitalen Kompetenzen werden in der zunehmend vernetzten Arbeitswelt dringend benötigt!
All diese Vorteile kommen zum Tragen, wenn die Live-Online-Veranstaltungen als Interaktionsraum verstanden werden. Es ist nicht der geeignete Ort für „betreutes Vorlesen“ von Folien. Diese können und sollten als Konserve (als Video, Skript o.ä.) bereitgestellt werden. Nutzen Sie die gemeinsamen Veranstaltungen stattdessen für Übungsaufgaben, Gruppenarbeiten oder Teilnehmerpräsentationen.
Den Teilnehmenden auch die nötige Zeit zu geben, damit diese zunächst über die Frage nachdenken können und – wenn sie antworten möchten – den dafür erforderlichen Button zu betätigen. Zudem hilft es oft Teilnehmende persönlich anzusprechen und/oder sie zunächst mit der Fragestellung für 2-3 Minuten in Gruppenräume (sogenannte „Murmelgruppen“) zu schicken, um anschließend im Plenum die Antworten einzusammeln.