Fachkräftesicherung durch Quereinstieg
Gerade junge Menschen aus medienfremden Berufen bringen oft viel mehr für den Quereinstieg mit, als erwartet. Viele Quereinsteiger:innen haben bereits Medienskills wie Videoschnitt oder Bildbearbeitung autodidaktisch erarbeitet. Und durch Erfahrungen im echten Berufsalltag sind Eigeninitiative und Hands-On-Mentalität keine Fremdwörter. Im Blog erfahrt ihr, wie ihr diese verborgene Talente fördern könnt.
01.11.2024
Nach Gesprächen mit der Branche können wir häufig ähnliche Hürden in verschiedenen Fachbereichen identifizieren: es fehlt oft nicht nur an qualifiziertem Nachwuchs, sondern an praktischen Fähigkeiten und Eigenschaften: Eigenitiative und die Fähigkeit, gestellte Aufgaben eigenständig und ohne dauernde Anleitung kreativ und motiviert zu bewältigen, zählen zu den häufigsten Dingen, die bei klassischen Einsteiger:innen vermisst werden.
Das liegt häufig daran, dass die klassische Pipeline von der Schule, über das Studium direkt zum Volontariat oder in den Berufseinstieg führt und viele Einsteiger:innen danach zum ersten Mal den Arbeitsalltag wirklich kennenlernen. Oder in ihrem Studium zu wenig praktische Erfahrung gesammelt haben. Eine Aussage, die sich in den Gesprächen mit der Branche gehäuft hat, fällt dabei besonders ins Auge: "Wir haben keine Zeit, die dann nochmal auszubilden."
Quereinsteiger:innen brauchen diese Einarbeitung oft nicht.
Wo finde ich Quereinsteiger:innen?
Eine Gruppe, die wir von Start Into Media in den letzten Jahren haben identifizieren können, sind Cosplayer:innen. Im Grunde trifft das aber auf jede Nische und jedes Hobby zu, das ein ähnliches Maß an Medienaffinität, Begeisterung und Initiative hervorbringt.
Cosplayer:innen bringen jeden erdenklichen Bildungshintergrund mit. Was sie aber alle eint ist eine Begeisterung für mediales Entertainment - Anime, Manga und Videospiele - und vor allem die Motivation und Initiative, diese Begeisterung in Form von Kostümen, Events und Fotoshootings zum Leben zu erwecken.
Cosplay bedeutet zuerst einmal: eine Figur, die aus irgendeinem Grund Begeisterung und Identifikation auslöst, in die Realität zu bringen. Dazu braucht es ein Kostüm und in vielerlei Hinsicht ist das selbst erarbeitete und erstellte Kostüm noch immer ein Aushängeschild von Authentizität in der Subkultur. Das heißt, viele Cosplayer:innen planen die nötigen Materialien und den Aufbau des Kostüms, bevor sie es selbst handwerklich durch Nähen und Schneidern zusammenstellen. Bei aufwendigeren Kostümen kommt auch Elektronik z. B. durch LED-Beleuchtung zum Einsatz.
Projektmanagement und Handwerkliche Skills
Noch bevor Cosplayer:innen also ihre selbst erstellten Einzelstücke präsentieren, betreiben sie aus eigenem Antrieb Projektmanagement: Sie legen zeitliche Deadlines fest, da sie die Cosplays für bestimmte Events brauchen, planen die Zeit ein, die Materialbereitstellung und Herstellung erfordern - und die Zeit, die sie für das handwerkliche Erschaffen brauchen werden. Sie kaufen die erforderlichen Materialien ein und organisieren ihren Ablauf auf Cosplay-Events und Messen, indem sie Cosplays für verschiedene Tage vorplanen, was auch den Aufwand von Ankleide, passendem Makeup und Perücken sowie die körperliche Beanspruchung durch das stundenlange Tragen bestimmter Accessoires oder Laufen auf bestimmten Schuhen mit einbezieht.
Wer so etwas ein paar Mal gemacht hat - oder über den Jahresverlauf hinweg regelmäßig macht, der wird auch keine Schwierigkeiten haben, eine Dispo für einen Filmdreh oder einen Redaktionsplan zusammen zu stellen. Oder den Überblick bei der Herstellung von Druckerzeugnissen zu behalten.
Erfolgreiche Cosplayer:innen bauen daraus ein eigenes Business, indem sie Commissions - also Auftragsarbeiten - annehmen und Kostüme sowie Accessoires für andere herstellen.
Berufliche Erfahrung
Diese Dinge, wie Projekt- und Zeitmanagement, handwerkliche Kunst und die Etablierung einer eigenen Marke und Geschäftsidee, finden meist ausschließlich außerhalb des Berufsalltags statt. Denn wie gesagt: viele Cosplayer:innen haben im Beruf wenig mit Medien zu tun. Gerade junge Cosplayer:innen machen vielleicht gerade eine Ausbildung zur KFZ-Mechatroniker:in, Bäcker:in oder im Einzelhandel. Das heißt sie kennen den Berufsalltag, sie sind gewohnt, Arbeitszeiten einzuhalten, nach einer einmaligen Anleitung bestimmte Aufgaben selbst zu übernehmen und Verantwortung zu tragen. Diese Erfahrungen und Kenntnisse bringen sie also bereits mit.
Für einige ist das auch genau das, was sie beruflich machen wollen. Viele hätten jedoch großes Interesse, ihre Leidenschaft für Medien auch in einen Beruf umzuwandeln - wissen aber oft nicht wie. Weil sie kein Studium haben. Oder kein Abitur. Oder weil sie in ihrer Schulzeit nie darüber informiert wurden, welche Möglichkeiten sie haben, in der Medienbranche Fuß zu fassen.
Streaming, YouTube, Instagram
Letztlich ist Cosplay dann aber auch Performance. Wer die körperliche Fitness und Hingabe aufbringt, ein vielleicht unbequemes Kostüm über mehrere Stunden oder Tage hinweg zu tragen, der wird auch bei einem Außendreh oder mobilen Reporting nicht so schnell einknicken. Dazu gehört es, für Fotos zu posieren sowie Bildaufnahmen zu erstellen und für eigenen Socials aufzubereiten.
Was viele junge Menschen, nicht nur Cosplayer:innen, eint: ein natürlicher Umgang mit Streaming-Plattformen wie Twitch und mit Social Media. Wer nicht nur Konsument:in ist, der streamt vielleicht selbst, hat einen Instagram-Kanal oder lädt eigene Videos auf YouTube hoch.
Der Umgang mit diesen Plattformen, das heißt auch die Interaktion mit der Community und die Bedienung der technischen Elemente, ist für viele Menschen aus so genannten "medienfremden" Berufen und Karrierewegen bereits selbstverständlich. Davon können Medienhäuser und Ausbilder:innen profitieren, die Möglichkeiten schaffen, diesen Quereinsteiger:innen eine Chance zu geben.
Möglichkeiten für Quereinstieg schaffen
Einige Recrutier:innen und Expert:innen aus der Medienbranche haben uns gegenüber bereits erklärt, dass sie viel weniger auf klassische Abschlüsse schauen, als auf persönliche Initiative, Skills und Lernbereitschaft. Das ist die richtige Grundlage, um einen großen Pool an potenziellen Fachkräften zu erschließen, den vielleicht viele noch nicht auf dem Schirm haben.
Gerade Quereinsteiger:innen, die bereits andere Berufe erlernt haben oder in Ausbildung sind, aber durch ihre Freizeitaktivitäten eine hohe Medienaffinität mitbringen, sind gute Kandidat:innen dafür, eine echte Bereicherung für die Branche zu werden.
Um diesen Menschen den Weg in eine Medienkarriere zu ermöglichen, schlagen wir Folgendes vor:
- Über die Möglichkeiten informieren, die die Medienbranche bietet
- Die Menschen dort abholen wo sie sind: Auf Medienmessen wie Cosplay-Events, Streamingplattformen wie Twitch, sowie YouTube und Instagram.
- Auf persönliche Skills und Erfahrungen bauen, weniger Schranken durch Abschlüsse
- Räume bieten, sich kreativ einzubringen und die eigenen Skills zu zeigen